Freitag, 27. Februar 2015

Birdman!

trailer:  https://www.youtube.com/watch?v=u021aAWmsbY





Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Alejandro González Iñárritu das Superheldenkino mit der Filmkunst versöhnt? Sein „Birdman“ eröffnet das Filmfestival von Venedig.
27.08.2014, von DIETMAR DATH,
Filme sind wie Frösche: Eine reglose Fliege nehmen sie nicht wahr, aber wenn sie sich bewegt, wird sie gefressen. Je beschädigter die Bewegung, desto unvermeidlicher das Schicksal der Beute – ein lahmes Flügelchen, schon ist man fällig. Michael Keaton spielt die Fliege in Alejandro González Iñárritus Drama „Birdman“ – einen Filmstar mit Karriereknick und Charakterknacks, der in den Neunzigern im Kino einen Superhelden verkörpert hat, dessen Name dem Film den Titel leiht. Die Fliege hält sich für einen Vogel. Der Film, der ihren Absturz begleitet, ist eine Tragödie, die uns zunächst vormacht, sie hielte sich für eine Komödie, um uns am Ende damit zu beeindrucken, dass sie sich in genau dem Moment als tragisch erkennt, in dem sie am allerlustigsten wird.
Keatons Figur kommt aus dem Kommerz und will in die Kunst. Iñárritus „Birdman“ ist Kunstkino, das mit dem Kommerzkino redet, um herauszufinden, wie verwandt die beiden sind – kein schlechter Auftakt für ein Festival, das den Zustand des Weltkinos abbilden will und dabei auch in Zwielichtwinkel leuchten möchte, ohne den Leuten die Stars vorzuenthalten, die vor den Handykameras noch unwahrer aussehen als auf der Leinwand, damit die Menge weiß: Sie sind es wirklich.
Neue Denkweisen
Der arme Mister Thomson, dem Keaton in „Birdman“ glaubhaft sein Antlitz leiht, hat sich in den Kopf gesetzt, ein Broadway-Stück auf der Grundlage einer selbst adaptierten Raymond-Carver-Vorlage zu inszenieren. Als Bearbeitungsautor, Darsteller und Regisseur in einem umgibt er sich mit unterschiedlichsten Begabungen: Zach Galifianakis, seine rechte Hand, ist ein fusseliges, aber engagiertes Butterbällchen, Edward Norton ein Method-Acting-Widerling (Betrunkene spielt er nur betrunken, Notzucht begeht er auf der Bühne nur mit echter Erektion), Andrea Riseborough übersetzt die jenseitige Zwitschermeise von Sängerinnen wie Kate Bush oder Björk ins Mimische, Naomi Watts verfolgt Keaton mit der Anhänglichkeit einer Ziehtochter, und Emma Stone ist sein leibliches Kind, das alles von ihm weiß und nichts von ihm wissen will – genau wie seine Exfrau, Amy Ryan, die ihm ins kinnlose Gesicht mit den treuen Wasseraugen sagt, was sein Problem ist: Er begreift den Unterschied zwischen Geliebtwerden und Bewundertwerden einfach nicht.
So zieht er alles, was ihn umgibt, in seine Läuterungskatastrophe. Bald fragt sich sogar Naomi Watts, was Keaton sich fragen müsste: Wieso habe ich keine Selbstachtung? Andrea Riseborough antwortet: „You’re an actress, honey.“ Das tiefste Geheimnis von „Birdman“ – dessen vollständiger Titel, mit irritierender Einklammerung, lautet: „Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance)“ – liegt darin, dass dieser Film eben nicht denkt wie die Theaterkritikerin, die dem implodierenden Mister Thomson die Tugend der Ahnungslosigkeit bescheinigt und das Hollywood-Blockbusterwesen als „Cartoons and Pornography“ schmäht.
Iñárritu analysiert Klischees und sich selbst
Iñárritu hätte es sich leicht machen können und das Superheldengenre als Metapher für alles aufs Korn nehmen, was aus dem heutigen Massenbewusstsein schief in die schönen Bilder hängt, die Leute wie er uns zeigen wollen. Aber „Birdman“ ist keine Persiflage, sondern selbst ernsthaft angelegt wie ein Superheldenepos: Leute, die zum Team zusammenwachsen müssen, verdreschen einander erst wie Thor und Iron Man, Schurken sind – wie Loki oder Thanos – intelligenter als der Held und so weiter: Alles wie im Comic-Kino.
Dass der Film kurz vor Schluss auch visuell ins Idiom der Marvel- und DC-Party hinüberlinst, wäre gar nicht nötig gewesen. Man kapiert auch so, worum es geht: Keatons Selbstanalyse qua Rollenspiel an der Grenze zur Psychose (Birdman redet mit ihm und klingt wie Batman, den Keaton einst spielte) ist nicht nur der Inhalt von „Birdman“, sondern auch die Form, in der Iñárritu sich als Künstler ebenfalls selbst analysiert – genauer: die Vorzüge und Mängel seiner Autorenästhetik, von der man schon früher hätte merken können, wie nah sie an den formelhaftesten, klischeestarrsten, manipulativsten Hollywoodkinosprachwerkzeugen entlang gebaut ist. Wenn Kinder in Gefahr gebracht werden müssen, damit wir den Ernst der Lage erkennen, wenn Einsamkeit durch pfeifende Winde symbolisiert wird, wenn Taubstumme für Besinnung im Lärm stehen, sind wir dann bei Spielberg oder bei Iñárritu?
Ein bewundernswerter Film
Das Auf-emotionale-Knöpfe-Drücken und Nach-Rezept-Kochen wirft die anspruchsvollere Kritik Spielberg gern vor und übersieht dasselbe gnädig bei Iñárritu. Dabei ist der Unterschied zwischen dem Gelungenen und dem Missratenen nicht über die Entscheidung bestimmt, ob man solche Mittel wählt oder vermeidet, sondern ob sie wirkungssicher oder aufdringlich gebraucht werden. Bei Spielberg gibt es ebenso beides wie bei Iñárritu: Was in „Biutiful“ Kraft und Masse hatte, war in „Babel“ schwerfälliger Kitsch.
An „Birdman“ gibt es wenig zu mäkeln – Gustav Mahler als Pathosschaumbad wäre nicht nötig gewesen, und dass das Bild verschwimmt und kippt, wenn der Held sich besäuft, ist schwach. Aber das Ganze, in dem dies kaum stört, ist grandios. Zwei Drittel des Films, der furios gestreckte Anfang samt Mittelbau, wirken schnittfrei, wie in Erz gegossen, die Kamera hält die perfekte, respektvollste Nähe zu den Figuren, der Schlagzeugsoundtrack von Antonio Sanchez ist unberechenbar. Großartig. Kann man „Birdman“ lieben? Das wird man wissen, wenn der Film ein paar Jahre alt ist und die Auseinandersetzungen ums Kino, die er spiegelt, anderen gewichen sein werden. Aber bewundern muss man ihn schon jetzt.


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